Junge hat eine Hand am Ohr und guckt überrascht ©mizina - stock.adobe.com

AA Bau- und Raumakustik

Lärm in Kindertageseinrichtungen kann Personal und Kinder belasten.

Zur Feststellung von Lärm in Kindertageseinrichtungen müssen verschiedene Arten von Schallereignissen unterschieden werden: Einerseits ist eine gute sprachliche Kommunikation erwünscht (z. B. miteinander sprechen oder singen), zum anderen gibt es störende von außen auf diese Kommunikation einwirkende Schallereignisse (z. B. andere Spiel- und Lernsituationen, Rufen, Singen, Springen, Laufen oder der Umgang mit Spielzeug).

Auch sekundäre Schallquellen (z. B. Heizungs- und Lüftungsanlagen, zufallende Raum- und Schranktüren, das Verrücken von Tischen und Stühlen und die von außerhalb des Gebäudes eindringenden Geräusche – etwa Verkehrslärm) führen zu unerwünschten Lärm­belastungen: Die Kommunikation wird gestört, die Sprachverständ­lichkeit gemindert, die Aufmerksamkeit und das Konzentrations­vermögen sinken. Der Stimmapparat des pädagogischen Personals wird durch die notwendig erhöhte Sprechlautstärke belastet.

Daher ist eine optimale Raumakustik in Kindertageseinrichtungen wichtig, da erst durch sie eine gute Sprachverständlichkeit in den Räumen ermöglicht wird. Raumakustische Maßnahmen mindern die Reflexion des Schalls an den Raumbegrenzungsflächen (Wände, Boden, Decken) und können so Lärm innerhalb von Räumen reduzieren.

Wand mit Muster für Schallabsorption©Unfallkasse NRW

Um in Kindertageseinrichtungen Lärm effektiv und nachhaltig zu reduzieren, ist eine Kombination aus bau- und raumakustischen, organisatorischen sowie pädagogischen Maßnahmen erforderlich. Alle Maßnahmen müssen auf die jeweiligen Gegebenheiten der Kindertageseinrichtung abgestimmt werden, da erst ihr Zusammenwirken zu einem verträglichen Belastungsniveau führt.

Die Raumakustik wird maßgeblich durch die Schallabsorption der Raum­flächen beeinflusst. Hierzu wird die Nachhallzeit als Kriterium herangezogen. Die Nachhallzeit gilt als die Zeitspanne, in der der Schalldruckpegel in einem Raum nach Beendigung der Schallfeldanregung um 60 dB abfällt. 

In der Unfallverhütungsvorschrift Kindertageseinrichtungen (DGUV Vorschrift 82) werden für Bildungseinrichtungen im Elementarbereich bau- und raumakustische Maßnahmen gefordert. Zur Planung raumakustischer Maßnahmen gibt die ASR A3.7 „Lärm“ und die DIN 18041 „Hörsamkeit in Räumen" Sollwerte für Nachhallzeiten an. Der anzustrebende, in Sekunden gemessene Sollwert der Nachhallzeit (Tsoll ) bei mittleren Frequenzen kann in Abhängigkeit von der Nutzungsart für Räume in Kindertageseinrichtungen mit einem effektiven Raumvolumen (V) zwischen 30 m³ und 1000 m³ berechnet werden. Die ASR A3.7 fordert, dass in Kindertageseinrichtungen im besetztem Zustand eines Raumes für die Anforderung „Unterricht mit Personen ohne Bedürfnis nach erhöhter Sprachverständlichkeit“ die Nachhallzeit Tsoll in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz durch den mit der nachfolgenden Formel errechneten Wert nicht überschritten wird:

Tsoll = (0,32 x (lg V/m3) - 0,17) s mit V = Raumvolumen in m3

Dabei ist in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz jeweils eine Toleranz von +/-20 % zulässig. Unter Zugrundelegung beispielhaft bestimmter Raummaße (Länge: 6 m, Breite: 7 m, Höhe: 3 m) wird für einen Gruppenraum in einer Kindertageseinrichtung eine Nachhallzeit von ca. 0,5 Sekunden rechnerisch ermittelt. Dieser Sollwert gilt für die Nutzungsart des besetzten Zustands; bezieht also eine zusätzliche Schallabsorption durch Personen im Raum mit ein.

Decke mit Lampen und Muster für Schallabsorption©Unfallkasse NRW

Bei der Planung von Räumen für die sprachliche Kommunikation sind auch Personen mit einem erhöhten Bedürfnis nach guter Hörsamkeit zu berücksichtigen. Menschen haben das Recht, unabhängig von ihren Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen sowie ihrer ethnischen, kulturellen oder sozialen Herkunft einen gleichberechtigten Zugang zu allen relevanten Teilhabebereichen einer Gesellschaft zu haben. Im Sinne des inklusiven Bauens sind von Beginn der Planung an die Bedarfe von Personen mit eingeschränktem Hörvermögen zu berücksichtigen. Aus diesem Grund sollen raumakustische Maßnahmen für eine Kindertageseinrichtung für Personen, die in besonderer Weise auf gutes Sprachverstehen angewiesen sind, unter Einschluss besonderer Anforderungen geplant werden, da


  • Barrierefreiheit zu berücksichtigen ist - es gibt Kinder und Beschäftigte mit eingeschränktem Hörvermögen und Hörhilfen, für die die Nachhallzeit generell verkürzt sein muss, da von diesen Personen die raumakustische Situation für Sprachkommunikation umso günstiger empfunden wird, je kürzer die Nachhallzeit ist.
  • kleine Kinder sich erst im Spracherwerb befinden – es ist wichtig, dass diese Kinder unter guten akustischen Bedingungen lernen,
  • viele Kinder die deutsche Sprache als Zweitsprache erlernen – die Kommunikation bedarf also einer erhöhten Sprachverständlichkeit,
  • Kinder mit Sprach- oder Sprachverarbeitungsstörungen, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen in die Einrichtung kommen – eine schlechte Akustik könnte diese Störungen und Schwächen verstärken bzw. deren Bearbeitung könnte im pädagogischen Prozess hinderlich sein. Im Zweifelsfall sollten in Räumen zur Sprachinformation und -kommunikation eher kürzere als längere Nachhallzeiten realisiert werden.

Nach der DIN 18041 soll die Nachhallzeit Tsoll in Kindertageseinrichtungen im besetztem Zustand eines Raumes für die Anforderung „Unterricht/Kommunikation inklusiv“ in den Oktavbändern von 250 Hz bis 2000 Hz durch den mit der nachfolgenden Formel errechneten Wert nicht überschritten werden:

Tsoll = (0,26 x (lg V/m3) - 0,14) s mit V = Raumvolumen in m3

Der besetzte Zustand vermutet mindestens eine 80% Regelbesetzung von Personen im Raum. Unter Zugrundelegung beispielhaft bestimmter Raummaße (Länge: 6 m, Breite: 7 m, Höhe: 3 m) wird für einen Gruppenraum in einer Kindertageseinrichtung eine Nachhallzeit von ca. 0,4 Sekunden rechnerisch ermittelt. Dieser Sollwert gilt für die Nutzungsart im besetzten Zustand; bezieht also eine zusätzliche Schallabsorption durch Personen im Raum mit ein. Bei der Ermittlung zur Einbringungen des raumakustischen Materials wird also auch das Absorptionsverhalten der möglichen anwesenden Personen in den Räumlichkeiten mit zu berücksichtigen sein. Die Umrechnung zwischen dem unbesetzten und dem besetzten Zustand soll nach den Vorgaben der DIN 18041 Anhangs A erfolgen. Bei einer raumakustischen Planung oder Sanierung von Räumen werden fachkundige Berechnungen und/oder Messungen der erforderlichen Nachhallzeit im besetzten und unbesetzten Zustand erforderlich sein, um den Bedarf an raumkaustisch wirksamen Materialien zu ermitteln.

Raum mit Ansicht auf zwei große Fenster mit Verglasung©Unfallkasse NRW

Neben den bereits oben aufgeführten Anforderungen nach der ASR A3.7 und der DIN 18041 ist die DIN 4109 "Schallschutz im Hochbau" zu beachten. Sie gibt die baulichen Anforderungen an die Luft- und Trittschalldämmung vor, um Menschen in Aufenthaltsräumen vor unzumutbaren Lärmbelastungen durch Schallübertragung zu schützen. So werden unter anderem Vorgaben für die Luft- und Trittschalldämmung in Schulen und vergleichbaren Unterrichtsbauten gemacht. Räume in Kindertageseinrichtungen können als vergleichbare Unterrichtsbauten angesehen werden, so dass die in der DIN 4109 für Schulen und vergleichbare Unterrichtsbauten beschriebenen Anforderungen auch für Räume in Kindertageseinrichtungen anzuwenden sind.

Die von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen herausgegebene Broschüre Lärmprävention in Kindertageseinrichtungen gibt zusätzliche Hinweise, welche organisatorischen und pädagogischen Maßnahmen zur Reduzierung von Lärm in Kindertageseinrichtungen beitragen können.

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